Beschreibung

Edelkastanien sind sommergrüne Bäume, selten wachsen sie strauchförmig. Sie werden durchschnittlich 20 bis 25 Meter hoch, die Maximalhöhe liegt bei 35 Metern und der Stammumfang meist bei ein bis zwei Metern. Sehr alte Bäume können vier Meter erreichen, in Extremfällen sechs Meter. Der Stamm ist gerade und kräftig, die Verzweigung beginnt meist in geringer Höhe, wobei wenige starke Äste gebildet werden. Die Krone ist weit ausladend und hat eine rundliche Form. Über 100 Jahre alte Bäume werden oft hohl. Edelkastanien erreichen ein Alter von 500 bis 600 Jahren. In Mitteleuropa werden sie kaum über 200 Jahre alt, in Westeuropa können sie bis 1000 Jahre alt werden. Der größte bekannte Baum ist der „Castagno dei Cento Cavalli“ (Kastanienbaum der hundert Pferde) in Sizilien.

Allgemeines und Geschichte

Der Name stammt von der Stadt Kastana in Pontus ab, in der diese Art schon in vorchristlicher Zeit angebaut wurde. Sativa (griech.) = kultiviert

Vom Mittelalter bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Edelkastanie in den Bergregionen Südeuropas das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung. Sie wurde während vier bis sechs Monaten in Regionen gegessen, in denen kein Getreide angebaut werden konnte. Im 20. Jahrhundert gingen die Bestände durch den Befall mit dem Kastanienrindenkrebs stark zurück, erholten sich jedoch bis Ende des 20. Jahrhunderts wieder.

Die "Kastanienkultur" im Alpenraum geriet im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts weitgehend in Vergessenheit. Dieses alte Kulturgut wird nun wiederentdeckt und gefördert. Dabei ist neben der Sortenerhaltung insbesondere die Selvenrestauration von Bedeutung.

Verbreitungsgebiet einst und jetzt

Südalpen, nur an exponierten Lagen auch auf der Alpennordseite

Anbau

Fremdbestäuber. Die männlichen und weiblichen Blüten blühen nicht gleichzeitig auf einem Baum. Alleinstehende Bäume bringen deshalb keine Früchte. Der Baum liebt saure, tiefgründige Böden, die nicht schwer sind. Das Klima sollte humide/ozeanisch sein und die Niederschläge zwischen 600-1600 mm liegen. Die Blütezeit im Juni sollte nicht verregnet sein. Der Baum ist lichtbedürftig und er fürchtet Früh- und Spätfröste.
Edelreiser werden Mitte Januar bis Ende Februar geschnitten. Ein gut gepflegter Kastanienhain hat eine flächendeckende Grasnarbe. Im Herbst sollte das Laub und Reisig gemulcht werden. Gedüngt werden soll wie im Obstbau. Der pH ist ideal zwischen 5.5 und 6.5. Alle sieben bis zehn Jahre sollten die Bäume bei unter vier Grad geschnitten werden.

Nutzung

Pro Baum werden 50-70 kg geerntet. Der Verbrauch pro Kopf liegt bei 150 kg als Hauptnahrungsmittel. Die Bäume können nördlich der Alpen bis zu 200 Jahre alt werden, südlich der Alpen bis zu 500 Jahre.

Inhaltsstoffe: 100g haben 192 kcal, 2,48 % Eiweiss, 1,9 % Fett, 41,2 % Kohlenhydrat, 8,37 % Fasern, 44,87% Wasser, Gerbstoffe, Gerbsäure, Betulin, Flavonoide, Ellagsäure, Histidine, Zink und Kastanien sind glutenfrei und eignen sich bei Diabetes.

Eignung

Vom Mittelalter bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Edelkastanie in den Bergregionen Südeuropas Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung.
Ganze Frucht (= Samen) gekocht, gebacken oder getrocknet; Püree; Kastanienmehl für Brot, Kuchen etc.
Laub: als Einstreu fürs Vieh
Holz: Durch hohen Gerbsäuregehalt grosse Restistenz gegen Pilzbefall und Insektenfrass; hart und elastisch, gut bearbeitbar

Verarbeitung und Produkte

Es gibt vier verschiedene Grösseklassen: Bis 60 Früchte pro kg, bis 70, bis 100, mehr als 100. Die Kleinsten werden zu Tierfutter und Schnaps verarbeitet. Im Südtirol gibt es auch mechanische Erntemaschinen, eine Art grosse Sauger.

Die Kastanien werden in kaltem Wasser während fünf bis neun Tagen gewässert oder in warmem Wasser während 45 Minuten bei 48-50°eingelegt und dann erst zehn Stunden in kaltem Wasser. Die Haltbarkeit ist so drei bis vier mal länger. Anschliessend werden die Kastanien wieder auf 54-57% getrocknet. Andernorts werden sie rauch- und luftgetrocknet.

Kastanienhonig hat einen besonders hohen Fructoseanteil. Deshalb kristallsiert er weniger. Ferner sammlen die Bienen oft nicht nur den Blütennektar sondern auch Nektarien wie Honigtau am Ende der Blütezeit. Der Honig ist wirksam gegen Reizhusten und Bronchitis.

Kastanienmehl: Das Kastanienmehl, auch süßes Mehl genannt, wird aus getrockneten und gemahlenen Kastanien hergestellt. Kastanienmehl wirkt basisch auf den Körper, indem es den Säuregehalt ausgleicht. Gleichzeitig ist es glutenfrei und deshalb besonders für Zöliakiekranke bestens geeignet.

Kulturtechnik

Kastanien sollen nicht heruntergeschlagen werden. Ende September bis Mitte November fallen die Früchte von selber herunter.

Besondere Bedeutung kam der Aufbewahrung der Früchte zu, die in kleinen und zu diesem Zweck errichteten Gebäuden erfolgte. Heute erhalten die traditionellen Dörrmethoden wieder vermehrt Wertschätzung. Veredelung: Bereits im 15. und 16. Jahrhundert wurden Tisens und Völlan für seine köstlichen „Pelzköschtn“ bekannt. Früher war man der Meinung, dass man auch durch das Pflanzen von sogenannten Wipfelköschtn (große Kastanien von Wildbäumen im Gipfelbereich) gute Qualitätskastanien gewinnen kann. Es können zwar großfrüchtige Sorten entstehen, es handelt sich aber immer nur um Wildlinge, die in Qualität und Geschmack selten mit Veredelten vergleichbar sind. Grundsätzlich sollten nur Marroni (Gelbe) veredelt werden, um die beste Qualität zu erzielen. Diese stellen jedoch höhere Ansprüche an Boden, Bewässerung und Klima und sind deshalb nicht für alle Lagen geeignet.

Kastanienmehl und Metato: In kleinen Räucherhäuschen im Kastanienhain, dem sogenannten Metato, werden die Kastanien vierzig Tage lang rauch-getrocknet. Anschließend mit primitivsten Maschinen geschält, mit einer Windmühle gereinigt und dann zu Hause auf einem Tisch noch einmal einzeln ausgesucht und nachgeschält. Nach dieser mühevollen Arbeit werden sie in einer Gemeinschaftssteinmühle zu Mehl vermahlen (u.a. Marrons glacés).

Brauchtum

Das Kastanien-Klopfen kennt man nur im Bergell. Hier werden die Kastanien in speziellen Dörrhäusern, den "Cascine" während fünf bis sechs Wochen getrocknet und im November – bei einem geselligen Fest – geklopft, um die Frucht von der Schale zu trennen.

Sonstiges

Anfang des 20. Jahrhunderts waren in Frankreich über 300, in Italien etwa 200 und im Tessin um die 150 Sorten bekannt.

Literatur

Rachewiltz S.(1992): Kastanien im südlichen Tirol von, Arunda – Kulturzeitschrift Verlag
Strallhofer (2006.): Edelkastanie, Waldbaum und Obstgehölz, Zoppelberg Buchverlag,
Haller Zingerling C.(2006): Kastanien, Athesiaverlag .
Bergougnoux F. et al.(1978): Le chataignier, production et culture. Herausgeber: INVUFLEC, Paris. S. 31–32
Centro di Cadenazzo, Interner Rapport, 23.2.96.
Conedera M.(1995): Kastaniensorten der Schweizer Südalpen. Fructus- Bulletin Nr. 38
Conedera M., Aussenstelle in Bellinzona der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft Birmensdorf (WSL): Schriftliche und mündliche Mitteilungen, 1998/99.
Conedera M.: Die Kastanie: der Brotbaum. Bündner Wald Nr. 6, 1996.
Heiniger U., Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL): Schriftliche und mündliche Mitteilungen, 1998/99.
Jelmini G., Centro di Cadenazzo, Aussenstelle der Eidg. Forschungsanstalt Changins (RAC): Schriftliche Mitteilung, 1998.
Stoll K.,Gremminger U.(1986): Besondere Obstarten, Ulmer Stuttgart
Rudow A, Bischofberger Y., Piattini P., Hatt S.: Handbuich Edelkastanien-Deskriptoren (Castanea sativa Mill.), NAP-PGREL 04-NAP-P26

Links

Staatl. Erhaltungsorganisationen

Schweiz
Agroscope: www.agroscope.admin.ch/org/00265/index.html
Bundeasamt für Landwirtschaft,NAP-PGREL Projekte / Projets PAN-RPGAA: www.blw.admin.ch/themen/01623/01627/01694/index.html

Nichtstaatl. Erhaltungsorganisationen

Kastanienverein Keschtnriggel / Vinschgauer Kastanienverein : http://www.kastanien.it/
Associazione Castanicoltori della Garfagnana: http://www.associazionecastanicoltori.it/
Associazione dei castanicoltori della Svizzera italiana: associazione.castanicoltori at gmail.com