Beschreibung

Das Engadinerschaf wird wegen seiner braunen «Kutte» auf romanisch auch «besch da pader» (Pater-Schaf) genannt. Es hat eine grosse Widerstandskraft und eine sehr hohe Fruchtbarkeit (häufig Zwillinge, bis zu Vierlingen). Es ist ein problemloses Tier mit sehr guter Fleischqualität.

Allgemeines und Geschichte

Das Engadinerschaf stammt von ursprünglichen Alpenschafen (Steinschafe) ab, die hauptsächlich mit Bergamasker und/oder Paduaner Schafen eingekreuzt wurden. Die wahrscheinlichste Theorie geht davon aus, dass über die Transhumanz von Tiroler Schäfern, die lokalen Schläge im Unterengadin mit Tiroler Schafen vermischt wurden. Die Schafe im Tirol ihrerseits waren vom damals weitgehend einheitlichen Zuchtgebiet Kärntens beeinflusst, das im 19. Jahrhundert bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder Tiere nach Westen exportierte. Beim Kärntner- oder Seeländer Schaf hat man insbesondere Paduaner Schafe zur Verfeinerung der Wolle eingekreuzt. Es gab darin auch einen namhaften Anteil brauner Farbschläge, woraus sich das (braune) Ultnerschaf im Südtirol herausbildete. Das Südtirol war wiederum seit dem Mittelalter von der Transhumanz der Bergamaskerschafe von Süden her beeinflusst.
Mit dem Streben nach besserer Mastleistung wurde das Engadinerschaf(ES) nach der Rassenbereinigung 1938 immer mehr vom Weissen Alpenschaf verdrängt. Die Restbestände im Engadin umfassten neben braunen auch weisse, schwarze und gefleckte Tiere. Importe von braunen Bergschafen (Tiroler Schafe) aus dem benachbarten Südtirol (Vinschgau) und Oberinntal komplettierten die neue Stammpopulation Ende der Achtziger Jahre. Fortan wurde ausschliesslich der braune Schlag gezüchtet. Ende der Neunziger Jahre wurde das Herdbuch auf den schwarzen Schlag erweitert.
Engagierte Schaffreunde gründeten 1992 den Schweizerischen Engadinerschaf-Zuchtverein, der 2004 von der Eidgenossenschaft als offizielle Zuchtorganisation anerkannt wurde.

Die Abstammung vom ursprünglichen Steinschaf äussert sich beim Engadinerschaf in verschiedenen Eigenschaften: Dazu gehören die widerstandsfähigen Klauen, die sehr gute Trittsicherheit und das Streben nach hochgelegenen Weidegebieten im Gebirge. Ebenso das ziegenähnliche Fressverhalten und die sehr hohe Fruchtbarkeit. Vom Bergamasker- und Paduanerschaf hat es den eher grossen Körperrahmen und die auffällige Zutraulichkeit beim Herdenhandling.
Die Population des Engadinerschafes ist aufgrund zahlreicher Alleinstellungsmerkmale und einer klaren Differenzierung gegenüber den klassischen Mastrassen stetig gewachsen. Geschätzt werden insbesondere die problemlose, kostengünstige Haltung, die dieses Schaf ermöglicht. Dazu gehört das angenehme Herdenhandling (auch ohne Hund), die hohe Robustheit bei den Klauen, leichte Geburten, das breite Futterspektrum (Eignung für Enttäuschung) und auch die ausgeprägte Asaisonalität mit hervorragender Fruchtbarkeit, die das Schaf als Ausgangsrasse für Gebrauchskreuzungen sehr beliebt macht.

Verbreitungsgebiet einst und jetzt

Einst: Unterengadin (plus Oberinntal, Vinschgau/Ultental)
Heute über ganze Schweiz verbreitet

Nutzung

Mutterschaf; sehr selten auch aus Milchschaf

Haltung

Das Engadiner Schaf benötigt lediglich einen trockenen, windgeschützten Unterstand und abgetrennte Bereiche, um die Verabreichung von Zusatzfutter an Jungtiere zu ermöglichen. Die Fütterung kann bzw. muss sich an das Ablammsystem orientieren. Bei ständigem Widdereinsatz und Ausschöpfung der Asaisonalität ist eine intensive Fütterung mit qualitativ hochwertigem Raufutter angezeigt. Ansonsten ist eine sehr extensive Fütterung möglich. Aufgrund der geringen Anfälligkeit von Klauenfäule sind kaum prophylaktische Vorkehrungen zur Klauengesundheit zu treffen.

Zuchtziele

1. Gute Fruchtbarkeit, Robustheit und Langlebigkeit
2. Gute Aufzuchtleistung. Es wird eine hohe Milchleistung der Auen angestrebt um auch Zwillingslämmer gut ernähren zu können, damit diese in nützlicher Frist eigenständig Futter aufnehmen können.
3. Rassetypische Exterieureigenschaften (gemäss Rassestandard)

Leistung

Oft Mehrlingsgeburten.
Schlachtreife Lebendgewicht 45kg in 4-8 Monaten, 120 Tage Gewicht: 35kg

Verarbeitung und Produkte

Das Fleisch von Engadinerschaf-Lämmern ist eine absolute Delikatesse und unterscheidet sich in positiver Hinsicht vom konventionellen Lammfleisch. Das Fleisch von älteren Schafen wird zu Schafwurst in jeglicher Form verarbeitet, von Kochsalami, Hartwurst, Kaminwurzen bis zu Leberkäse. Die besten Partien (Filet, Gigot) können jedoch auch frisch zubereitet werden.

Die Wolle wurde früher für Loden und Mönchskutten (deshalb "Paterschaf") genutzt. Heute für Teppiche, Betten und Dämmstoffe. Die Wolle eignet sich zudem hervorragend zum Filzen. Das Fell wird gegerbt und dient meist zur Dekoration von Fußböden.

Brauchtum

Ursprünglich war die rauhe Wolle des Engadinerschafe sehr begehrt und wurde zu Filzprodukten und Lodenstoffen verarbeitet. Heute findet man kaum noch Abnehmer dafür.
Die Häute sind noch heute wegen der Farbvarianten gefragt und werden teilweise zu medizinischen Fellen verarbeitet

Sonstiges

Vliesfarbe: Dunkelbraun mit Schattierungen von cognacfarben bis dunkelbraun Die Lämmer werden ganz dunkelbraun, fast schwarz geboren. Wenn das Vlies dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, verfärben sich die Spitzen goldfarben. Speziell im Sommer sind die Spitzen golden gebleicht. So ergibt diese Wolle einen interessanten Mix innerhalb eines Vliese. Außerdem hört die Wolle niemals auf die Farbe zu verändern. Ist das fertige Produkt mehr der Sonne ausgesetzt, so färbt es sich hell. Wird es immer im Schrank aufbewahrt, so ändert sich die Farbe zu dunkelbraun. Daher auch die Bezeichnung "lebendes" Vlies.

Literatur

· Etienne Bendel (1992): Populationsanalyse des Engadinerschafs
· ProSpecieRara: Nutztierkompass, Basel, 2012 (https://www.prospecierara.ch/de/shop/article/nutztierkompass)
· Schafrassen in den Alpen, Antje Feldmann, Ursula Bietzker, Dr. Christian Mendel, Gesellschaft zur Erhaltung von alten und gefährdeten Haustierrassen e.V. - GEH.
· Brochure «Ressources zoogénétiques de l’agriculture suisse», 20.09.2021, Office Fédéral de l'Agriculture, OFAG

Links

Nichtstaatl. Erhaltungsorganisationen

· Schweizerischer Engadinerschaf-Zuchtverein (SEZ), Präsident, Daniel Müller, Brunnengasse 7, 8162 Steinmaur, Tel. +41(0)44 853 32 36, www.engadinerschaf.ch, e.mueller-pini@gmx.ch
· ProSpecieRara, Unter Brüglingen 6, 4052 Basel, Telefon +41 (0) 61 545 99 11, www.prospecierara.ch, ProSpecieRara