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Beschreibung

Säen, Ernten und Dreschen in den 1950er-Jahren in Kerzers im Seebezirk. Erinnerungen von Ueli Johner-Etter, Bauernmuseum "Althus", Jerisberhof

Aussaat

In der zweiten Hälfte des Weinmonats (Oktober) verlud Vater zwei Säcke mit Weizensaatgut mit der Öffnung nach hinten auf einen Wagen. Hinter dem Wagen hängte er mit einer Kette die einspännige Saatmaschine an. Flora und Fanny, die beiden Pferde, wurden vor den Wagen geschirrt, und los gings, hinaus zu den drei Hölzern im Grollyeck. Vater verwendete damals, in den 1950er-Jahren, noch immer den Begriff «Hölzli» als Flächenmass, ein Hölzli entsprach neun Aren. Das kam sicher noch aus der Zeit, als der Weizenacker noch bewaldet gewesen war. Zum Eggen, dem Zerkleinern der Erdschollen, führte er Fanny (das jüngere Pferd) auf der rechten Seite der Deichsel. Ich durfte als zehnjähriger Bub die erfahrene Flora auf der linken Seite führen. Für die Wintergewächse wurde nicht so intensiv geeggt wie für Zuckerrüben oder Kartoffeln im Frühjahr. Beim Wenden musste man höllisch aufpassen, dass die Stricke, wie wir zu den Ketten zu sagen pflegten, schön gestreckt blieben, denn die waren nur ganz knapp über dem Boden gespannt. Die Sähmaschine war ein eineinhalb Meter breiter Einspänner mit einem blauen Holzsähkasten drauf, einer roten Achse und neun Scharen. Vater führte die Flora und ich eilte dem Zug hinterher, um mit einer Schaufel vertrocknete Kartoffelstauden oder anderes Grünzeug, das an der Sähmaschine hängenblieb, zu entfernen. Dann liess ich die Schare mit einem langen Hebel in den Boden, hob sie beim Wenden hoch und führte sie um die Kehre. So ging das Kehre um Kehre, bis der Acker gesät war. Im Frühjahr wurde die überwinterte Saat von Hand vom Unkraut befreit.

Ernte

Gegen Ende des Heumonats (Juni) war das Gewächs oder Korn, wie wir damals sagten, erntereif. Jetzt wurde die Mähmaschine, die seit dem ersten Heugrasschnitt in der unteren Scheune neben dem Jauchewagen verstaut war, wieder herausgeholt. Für mich war diese Deering-Maschine ein technisches Wunderwerk. Ich bestaunte ehrfürchtig die Mechanik. Der Grossvater erzählte mir, wie die Einzelteile der Maschine im 19. Jahrhundert in einer grossen Holzkiste mit dem Schiff aus Amerika übers Meer nach Rotterdam, danach mit dem Rheinschiff nach Basel und schliesslich noch mit der Eisenbahn nach Kerzers transportiert worden seien. Der Dorfschmied baute die Maschine danach zusammen. Für diese Maschine gab es einen hölzernen Ableger, eine Art Holzgatter, den Vater von einem zusätzlich über dem rechten Rad montierten Sitz aus mit einem Fusspedal bediente. So liessen sich beim Korn mähen schöne, gleichmässige Haufen machen, die zum Trocknen mit dem Haufenrechen gewendet wurden.
Wenn das Korn schön trocken und die Kerne hart geworden waren, sind wir mit Ross und Wagen mit allerlei Ausrüstung zum Acker aufgebrochen. Ich habe die Garbenbänder über die Schultern gelegt und eines um das andere, das farbige Holzrad immer auf dieselbe Seite ausgerichtet, auf den Boden gelegt. Die Stoppeln kratzten arg an Füssen und Beinen, und es floss der eine oder andere Tropfen Blut. Salvatore, unser erster Knecht aus Italien, legte mit einer Gabel zwei oder drei Garbenhaufen auf das Band, und mein Vater kniete darauf und band die Garben zusammen. War das ein schöner Anblick: Die Garben in gerader Reihe am Boden. Danach fuhr man mit dem Ladewagen dazwischen hindurch, und Vater lud mit der Garbegabel mit langem Stiel die Garben auf den Wagen und formte einen schönen Haufen daraus. Es war Brauch, mit der letzten Ladung einen schönen Feldblumenstrauss hinten an den Ladewagen zu hängen. Weil wir keine direkte Anfahrt zum Hof hatten, mussten Heu und Getreide mit einem Aufzug befördert werden. Wir hatten einen Motor, der Nachbar musste dazu die Pferde an ein Drahtseil schirren, das über eine Umlenkung als Aufzug funktionierte. Mit einem Rollwagen konnten wir durchs Haus bis zum Abladeplatz fahren. Dort wurden die Garben abgelegt (eine um die andere). Gleich daneben fand sich der Kamin für die Rauchwaren, weshalb wir einen Gang freihalten mussten, damit man trotz dem Garbenstock zum Räucherhäuschen gelangen konnte. Denn es war nicht genau vorherzusehen, wann die Garben mit der allen Bauern gehörenden Dreschmaschine gedroschen werden sollten. Und damals wurde ja auf dem Hof noch selber geschlachtet und auch geräuchert.
Nicht vergessen darf ich die Sichlete. Wenn das Getreide eingebracht war, wobei der Hafer nicht als Getreide galt, wurde in der Regel am zweiten Sonntag im August die Sichlete gefeiert. Die Mutter backte dazu eigens Zöpfe und Tuberugger, ein Gebäck aus Hefeteig. Es gab ein besonders leckeres Mittagessen, meistens Ragout mit Kartoffelstock und danach Bohnen mit Schinken. Als Nachtisch wurden gebrannte Crème oder Schokoladebirne aufgetragen.
Dreschen
Die Dreschmaschine stand im Dreschhaus an der Holzgasse. Gerste und manchmal auch der Roggen, die offen geladen wurden, drosch man direkt dort. Etwa ab der zweiten Hälfte im Oktober machte die Dreschmaschine die Runde. Wenn dann am Frühstückstisch jeweils das Licht kurz flackerte, wussten wir, dass die Maschine in der Nähe war, denn zum Anlassen des Motors brauchte sie gehörig Strom. Schon das Aufstellen der Maschine mit der Strohpresse im Tenn am Abend vor dem Dreschtag war für uns Kinder ein Erlebnis, und die Eltern mussten uns immer gut zureden, die Nase nicht zuweit hinauszustrecken, denn ganz ungefährlich war die Sache nicht. Weil es am Dreschtag etwa sechs bis acht Helfer brauchte, kamen neben dem Dreschmeister und dem Aufleger noch sechs Bauern dazu und halfen sich an diesem speziellen Tag gegenseitig. Die einen trugen die Garben zur Maschine, die anderen luden die Strohballen, die aus der Presse kamen, auf die Ladebühne. Einen starken Mann brauchte es in der Absackerei. Dort, wo die Kerne aus der Maschine rannen, wurden die Bundessäcke abgefüllt (Normsäcke der Eidgenossenschaft). Die konnte man vor der Drescherei beim Bulejöggi Fritz abholen. Ein Bundessack mit den roten Streifen und der schwarzen Jahreszahl wog einen Doppelzentner (100 kg). Ein kleiner Aufzug hinten an der Dreschmaschine hob ihn auf Rückenhöhe, und dann trugen mein Vater oder der Leiser Ernst den Sack zum Wagen. Für die Verköstigung war die Mutter zuständig. Schon bei der Morgenpause trug sie Wurst und Käse auf. Das klassische Dreschtagmenü umfasste sauren Chabis (Sauerkraut), Kartoffeln, Schinken und Wurst. Aber sie sorgte stets dafür, dass die beiden Drescher, die die ganze Saison mit der Maschine unterwegs waren, nicht immer das Gleiche essen mussten, und servierte ihnen zuweilen Kartoffelstock mit Zunge oder manchmal auch ein Kaninchen.
Wenn der Dreschtag am späten Nachmittag allmählich zu Ende ging, ging Vater mit mir hoch zur Scheune, und ich durfte mit Besen und Scheitel Mäuse und Ratten erschlagen, die sich gerne unter den Garben versteckten und die man schon seit Wochen umherflitzen hörte. Aber beim Reinigen musste ich verschwinden, weil es so gestaubt hat. Bei der Abgabe des Getreides am Bahnhof wurden die Weizen, Roggen oder Mais gefüllten Bundessäcke in Eisenbahnwagen verladen. Zuvor hatte ein von der Regierung beauftragter Aufkäufer, meistens ein Bauer aus der Umgebung, das Getreide begutachtet und taxiert.
So spielte sich damals das Bauernjahr ohne Mähdrescher und moderne Maschinerie ab, und auch dannzumal wurde es Weihnachten, Neujahr oder Frühling. Die Bauern musste körperlich schwerer arbeiten und doch habe ich in der Rückschau den Eindruck, als habe damals weniger Hektik und Stress geherrscht als heute.

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Quellen

Übersetzung eines im Dialekt gehaltenen, schriftlichen Vortrags von Ueli Johner-Etter. Das Original kann heruntergeladen werden.