Beschreibung

Der Kanton Thurgau, auch «Mostindien» genannt, ist der bedeutendste Obstbaukanton und insbesondere Apfelproduzent der Schweiz. Jeder dritte Tafelapfel, der in der Schweiz konsumiert wird, und fast die Hälfte der Äpfel für die gesamtschweizerische industrielle Weiterverarbeitung zu Most stammen aus dem Kanton Thurgau. Mehrere grössere Mostereien sind im Thurgau ansässig. Getragen wird der Obstbau im Thurgau fast ausschliesslich von bäuerlichen Familienbetrieben. Der Ertrag der niederstämmigen Plantagen wird hauptsächlich für die Tafelobstproduktion verwendet, derjenige der traditionellen hochstämmigen Obstbäume dient der Selbstversorgung oder der industriellen Weiterverarbeitung. Die einst das Landschaftsbild dominierenden Hochstammbäume - vor allem im Oberthurgau - wurden in den 1950er Jahren von Niederstammplantagen abgelöst. Speziell für den Thurgau war aus klimatischen Gründen das Pflanzen der Hochstammbäume auf dem Scheitel der Hochäcker. Obwohl viele der Hochstammbäume gerodet wurden, ist die typische Bepflanzung vielerorts noch heute erkennbar.
Für den Kanton Thurgau gibt es ab dem 14. Jahrhundert Hinweise über verschiedene Obstsorten. Wegweisend für die Dokumentation von Obstsorten im Kanton Thurgau
ist eine im 19. Jahrhundert durchgeführte Obstsortenstudie. Der St. Galler Arzt und Naturforscher Caspar Tobias Zollikofer hat zwischen 1831 und 1834 in der Nähe von Märstetten (Kanton Thurgau) sämtliche Obstsorten gemalt und beschrieben. Damit gehört er zu den Mitbegründern der Pomologie. Dreissig Jahre später setzte sich der Thurgauer Gustav Pfau-Schellenberg mit weiteren Thurgauer Lokalsorten auseinander und gab 1870 ein Sortenbuch heraus, welches noch heute von grosser Bedeutung ist. Viele der im 19. Jahrhundert eingeführten oder aus Hecken und Waldrändern entnommenen Sorten sind heute bereits wieder verschwunden, da sie meist nur eine kleine Verbreitung erfahren durften. Die Kenntnisse dieser Sorten sind nur noch älteren Leuten bekannt. Heute bilden noch rund 10 Sorten den Hauptanteil des Obstes.
Verschiedene Organisationen haben sich zum Ziel gesetzt, die Erhaltung von alten Sorten zu fördern. So hat zum Beispiel «FRUCTUS» im Jahre 2003 eine Obstausstellung zu diesem Thema in Frauenfeld organisiert. 1994 gründeten einige Oberthurgauer den Verein «Obstsortensammlung Roggwil». «Drei von vier markanten,
schönen Hochstamm-Obstbäumen, aber auch dreiviertel der einst vorhandenen Obstsorten sind in den letzten vierzig Jahren verschwunden. Diese Entwicklung
geht weiter. Darum wollen wir möglichst viele der noch auffindbaren Obstsorten in einem speziellen Obstgarten erhalten. Auch möchten wir späteren Generationen
einen für unsere Gegend einst typischen Hochstamm-Obstgarten zeigen können» (Verein «Obstsortensammlung Roggwil»). Die Hauptanliegen des Vereins sind
einerseits die Erhaltung von möglichst vielen alten Sorten, andererseits die nötigen Kenntnisse über Pflanzung, Schnitt, Veredelung, Sortennamen und Eigenschaften
jüngeren Generationen weiter zu geben.

Literatur

Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg (Ed.): Kurzinformation über Obstbau im Thurgau. Stand 2008. Arenenberg, 2009
Hubert Frömelt: Die Entwicklung der thurgauischen Obstbaulandschaft im 19. und 20. Jahrhundert. In: Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft 44. Frauenfeld, 1981, p. 47-74.
Verena und Markus Füllemann, Alex Bänninger: Faites vos pommes. Eine Art Kulturgeschichte des Apfels. Wabern-Bern, 1997
Landwirtschaftsamt Thurgau, Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg (Ed.): Projekt «Zukunft Obstbau Thurgau». Frauenfeld, 2009
Urs Müller: Der Obstbau im Thurgau. In: Die Flurnamen des Kantons Thurgau. Einleitung und Etymologie (Thurgauer Namenbuch 2.1). Frauenfeld, 2007, p. 235 -249
Manfred Trächsel: Die Hochäcker der Nordostschweiz. Zürich, 1962

Links

Quellen

www.lebendige-traditionen.ch