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Beschreibung

Bis in die 1950er Jahren standen die Schaffung und Vermittlung von Wissen innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung weitgehend in einer funktionalen Beziehung zur Optimierung der Nutzung von Tieren und Pflanzen mit Hilfe der Sonnenenergie auf der Grundlage des betriebseigenen Bodens. Was von den Angehörigen der bäuerlichen Gesellschaft als ästhetisch schön empfunden wurde, war in der Regel auch von praktischem Nutzen. Das galt für die Wertschätzung der Haustiere ebenso wie für die Kulturlandschaften. Diese unmittelbare Verknüpfung des Schönen mit dem Praktischen, des Angenehmen mit dem Nützlichen und des Mühsamen mit dem Alltäglichen wurde in den 1950er Jahren in einem bisher unbekannten Ausmass aufgebrochen. Zwar blieb der Boden die zentrale agrarische Produktionsgrundlage, aber dessen Bewirtschaftung wurde durch den Input industrieller Hilfsstoffe wie Pestizide und Kunstdünger partiell ebenso erleichtert, wie die neuen Aufstallungssysteme die emotionale Distanz zwischen Menschen und ihren Nutztieren vergrösserten.
In den 1950er Jahren gelang es der Industriegesellschaft, die qua ihrer Ressourcengrundlange im Wachstum beschränkte bäuerliche Landwirtschaft zumindest teilweise ebenfalls auf die Basis mineralischer Ressourcen zu stellen. Zusammen mit den Institutionen der Eigentumsgesellschaft waren damit die Grundlagen geschaffen, um auch die Nahrungsmittelproduktion der Logik der modernen Wachstumsgesellschaft zu unterwerfen. Jetzt wurde die Land-Wirtschaft teilweise selber zur Agrar-Industrie, die die Erträge in einem historisch einmaligen Ausmass vergrösserte und zeitweise sogar noch grössere Produktivitätsfortschritte aufwies als die Industrie selber.
Innerhalb weniger Jahre ersetzte der Verbrennungsmotor tierische und menschliche Arbeitskräfte in einem bisher unvorstellbaren Ausmass. Zuerst verliess ein grosser Teil der noch übrig gebliebenen Dienstboten die Höfe, ihnen folgten die mitarbeitenden Familienangehörigen. Doch die Landwirtschaft benötigte nicht nur immer weniger Boden zur eigenen Ernährung, sondern mit dem Wegfall der Pferde als Zugtiere wurde noch zusätzliche landwirtschaftliche Nutzfläche frei, die zur Produktion von Nahrungsmitteln für die Menschen ausserhalb der Landwirtschaft genutzt werden konnte. Weil zudem gleichzeitig der Import von Futtermitteln mit einer liberalen Handelspolitik gefördert wurde, damit die Produktion von Geflügel- und Schweinefleisch ganz von den Wachstumsrestriktionen der inländischen Bodengrundlage entkoppelt werden konnte, entstand jener Nahrungsmittelüberfluss, den die Gesellschaft zunehmend als Problem und nicht mehr als Segen wahrzunehmen begann.

Literatur

M. Stuber, P. Moser, G. Gerber-Visser, C. Pfister: Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe (2009)