Traditionelle Schweizer Trachten
Diese Trachten spiegeln auch heute noch die geografische, soziale und kulturelle Vielfalt der Schweiz wider. In diesem kleinen Land gibt es 26 Kantone, von denen jeder seine eigene traditionelle Tracht hat. Wie die Architektur und der Dialekt unterscheiden sich auch die Trachten von Kanton zu Kanton und zeugen von diesem einzigartigen kulturellen Reichtum.
Sie entstanden im 18. Jahrhundert und waren eine Ausdrucksform der regionalen und sozialen Identität. Diese Trachten waren die Festtagskleidung der ländlichen Bevölkerung. Ihr Stil wurde von der vorherrschenden Religion des Kantons beeinflusst: In katholischen Regionen waren die Trachten oft reicher verziert, während in protestantischen Regionen eher bescheidene Kleidung gewählt wurde. Da sie auch Arbeitskleidung waren, mussten sie funktional und praktisch sein. Leider haben nur die Bauerntrachten die Zeiten überstanden, da sie von den Menschen selbst hergestellt wurden, die sie trugen.
In der Folgezeit erfuhr die traditionelle Tracht zahlreiche Veränderungen und Neuinterpretationen, die von neuen Moden und Textilinnovationen beeinflusst wurden. Es wurde sogar versucht, die sozialen Unterscheidungen in den Trachten zu verwischen, um sie schlichter und zeitloser zu machen. Nach einer Zeit des Niedergangs kehrte die „Tracht des Vaterlandes“ nach dem Krieg wieder zurück, um die schweizer Identität vor den modischen Einflüssen der Nachbarländer zu schützen. Dies führte 1926 in Luzern zur Gründung der Nationalen Vereinigung für Schweizer Trachten. Daraufhin wurden Regeln für die Herstellung und das Tragen dieser Trachten aufgestellt. So ist es zum Beispiel verboten, sie mit anderen Kleidungsstücken zu kombinieren, und vor allem muss jede Person die Tracht ihres Herkunftsortes tragen. Heute hat dieser Verband über 15 000 Mitglieder in mehreren Kantonalverbänden und organisiert das eidgenössische Trachtenfest.
Heutzutage wird die Tracht bei Volksfesten wie Alpabzügen, Erntedankfesten oder Schwingfesten oder auch bei offiziellen Anlässen und beim Empfang von Politikern getragen. Mit ihr kann man nicht nur seine Herkunft zeigen, sondern auch die Verbundenheit mit der Heimat und den Traditionen zum Ausdruck bringen. Die kantonalen Bäuerinnen tragen sie noch heute bei den verschiedenen Feierlichkeiten, an denen sie teilnehmen. Das Freilichtmuseum Ballenberg, das die Architektur der Schweizer Kantone zeigt, unterstreicht ebenfalls den Reichtum und die Vielfalt der helvetischen Trachten.
Es ist wichtig, sie nicht mit den auf den Märkten verkauften Volkskleidern zu verwechseln. Trachten müssen bei der kantonalen Trachtenvereinigung oder in Fachgeschäften bestellt werden.
Beispiele für Trachten
Die Waadtländer Tracht besteht aus dem Dzepon, einer kleinen schwarzen Cordweste für die Bergbewohner, während die Männer aus dem Flachland eine bunte Weste und einen schwarzen Hut tragen. Die Frauen hingegen tragen eine weisse Bluse mit einem blauen Kleid, über dem eine Schürze hängt.
In Gruyère tragen die Männer den Bredzon, eine traditionelle Arbeitskleidung der Senner, die aus blauem, mit Edelweiss besticktem Stoff hergestellt wird. Diese Kleidung wird durch eine Hose aus blauem Stoff, einer Kappe als Kopfbedeckung, dem Loyi (eine Ledertasche) und einem Stock vervollständigt. Die Frauen tragen den Dzaquillon, ein karriertes Kleid aus Guingan, und dazu eine einfarbige Schürze, die lediglich oben und unten mit einer Bordüre verziert ist.
Im Kanton Appenzell variieren die Trachten erheblich. In Ausserrhoden zeichnet sich die Tracht durch Einfachheit und Schlichtheit aus, während sie in Innerrhoden prächtiger und reich verziert ist. Die Kleidung der Männer besteht aus einer langen gelben Hose und einer roten Tuchweste, die mit Edelweissmotiven bestickt ist. Ausserdem tragen sie einen schwarzen Hut, der mit Blumen und Bändern verziert ist. Zur Tracht gehören eisenbeschlagene Hosenträger, die fein ziseliert in Form verschiedener Bauernhoftiere gestaltet sind, sowie hochgeschlossene weisse Socken und schwarze Schuhe. Die Frauen tragen einen langen Rock, dazu eine traditionelle Jacke, die sogenannte Schlottenjacke, über einer Bluse, die mit einem Samtkorsett verziert ist. Das Korsett ist mit Silberbroschen verziert und mit einem reich bestickten Latz versehen. Sie tragen eine lange, mit Perlen verzierte Schürze und einen elegant eingefassten Kragen. Ihre Kopfbedeckungen sind besonders markant: Sie tragen ein Ensemble aus zwei Flügeln aus schwarzem Tüll, die durch eine weisse Spitzenhaube getrennt sind. Dieses Ensemble ruht auf einer schwarzen Haube, die mit einem roten Band und Blumen geschmückt ist. Die Alltagskleidung ist dagegen einfacher und weniger reich verziert. Die Frauen tragen weder eine Jacke noch eine Kopfbedeckung, da diese Elemente besonderen Anlässen vorbehalten sind.