Gemüseanbau im Seebezirk (Murten) gestern und heute
Beschreibung
Gemüseanbau im Seebezirk (Murten) gestern und heute
Der Gemüseanbau im Seebezirk erwuchs aus kleinen, bäuerlichen Familienbetrieben. In bescheidenem Rahmen wird hier schon seit langem Gemüse angebaut. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte hier die Armut. Es waren vor allem die Frauen, die mit Gemüseanbau ein Zusatzbrot verdienten. Gegenüber den Gemeinden im Moos waren die Gemeinden um Murten noch privilegiert. Sie lagen etwas höher und waren weniger sumpfig, während sich im Moos die Erträge auf Heu, Weidematten und Lische beschränkten, hatten die Randgemeinden noch brauchbaren braunen Mineralboden für den Gemüseanbau auf den Höhenzügen. Auch in Vully, wo im milden Seeklima neben dem Rebbau schon immer der Gemüseanbau zum Risikoausgleich gepflegt wurde. Schon im 18. Jahrhundert gingen die Bauernfrauen aus der Gegend auf die Märkte in Bern, Neuenburg oder Will. Die Legende sagt, die Freiburger hätten Zwiebeln auf dem Berner Markt verkaufen dürfen. In Dankbarkeit für ihre Hilfe beim Berner Stadtbrand und ihre Waffenhilfe während der Burgunderkriege. So richtig in Schwung kam der Gemüseanbau im Seebezirk aber erst nach der ersten Juragewässerkorrektion (1868 – 1891), zuerst am Rand des Grossen Mooses in den sogenannten Moosgärten, später in Teilen des Vormooses, die noch heute im Privatbesitz sind. Es waren die Frauen, die als erste das enorme Potenzial der trocken gelegten Schwarzerdeböden erkannten. Das war kein Wunder, sie hatten ja schon lange Erfahrung im Gemüsebau in Hausgärten und Pflanzungen. Die Bauern mussten aber zuerst lernen, wie man einen sauren, trocken gelegten Boden überhaupt bewirtschaftet. Erste vorbildliche Betriebe fanden sich in Witzwil und Bellechasse und später in der Schweizerischen Genossenschaft für Gemüsebau. Dort fand man heraus, dass der neu gewonnene Boden Kalium und Phosphor brauchte, um Gemüse und andere Pflanzen anzubauen. Aber es dauerte dennoch rund ein halbes Jahrhundert, bis auch wirtschaftlich interessante Erträge erreicht wurden. In Kerzers war es der Pfarrer, der um 1900 mit dem Anbau von Spargeln in sandiger Erde begann. Später pachtete er noch Land dazu, hatte die Sache mit zwei Berufen als Pfaffer und Landwirt aber schliesslich nicht mehr im Griff und so nahm es ein böses Ende. Es war aber seiner Initiative zu verdanken, dass 1898 die erste Konservenfabrik gegründet wurde. Neben Erbsen und Bohnen wurden auch Spargeln verarbeitet. Bohnen und Erbsen wurden im Akkord in Handarbeit gelesen, auch die weitere Verabeitung der Bohnen war reine Handarbeit (zuhause bei den Bauernfrauen). Damit auch bloss niemand auf die Idee kam, ein paar Bohnen für den Eigenbedarf abzuzweigen, wurden sie bei Anlieferung und Abholung gewogen. 1899 war auch die erste Zuckerfabrik in Aarberg eröffnet worden. Das brachte eine neue Erwerbsquelle für die Bauern. Die Zuckerrüben wurden noch lange Jahre von Hand geerntet. Während der beiden Weltkriege erlebte der Gemüsebau einen enormen Aufschwung, dies nicht zuletzt auch, um den Ausfall der Importe zu kompensieren. Mitte der 1950er-Jahre öffnete eine neue Konservenfabrik ihre Tore.
Der Frischgemüseverkauf lag früher ausschliesslich in den Händen der Marktfrauen. Noch in den 1950er-Jahren transportierten sie mit ihren kleinen Bockwagen jeden Montag- und Freitagabend ihre Körbe und Kisten zum Bahnhof. Die Bahn spedierte die Ware dann über Nacht zu den städtischen Märkten. Die Frauen reisten mit dem Frühzug nach. In dieser Zeit waren auch die ersten Gemüsehändler unterwegs. Sie kauften die Ware direkt beim Gemüsebauern und verkauften sie dann im Engros-Handel oder direkt an Hotels, Restaurants und Gemüseläden. Damals wurde die Ware noch in offenen Kisten oder auch Körben transportiert.
Der gesamte Gemüseanbau war damals fast ausschliesslich Handarbeit. Die ganze Familie, Knechte und Taglöhner halfen mit. Als die ersten einfachen Maschinen aufkamen, wurde es etwas einfacher, um Salat, Karotten, Rettich und Zwiebeln in Reihen zu ziehen. Der Seebezirk war aber nie allein auf Gemüsebau ausgerichtet. Ein landwirtschaftlicher Betrieb blieb ein Mischbetrieb. In den späten 1950er-Jahren kam es zu einer Vernässung des grossen Mooses. Der Torfboden war, bedingt durch die Entwässerung, abgesackt. Das machte im Rahmen der zweiten Juragewässerkorrektion eine Güterzusammenlegung und den Einbau von modernen Drainagen notwendig, die aus den unförmigen, kleinen Gemüseäckern (die so genannten Hosenträger) grössere Flächen machte. Am Ende wird das Wasser wie in Holland vom tiefer gelegenen Boden in den Kanal gepumpt.
Nach und nach hielt die moderne Technik Einzug. Traktoren machten eine starke Mechanisierung möglich, die Kulturen wurden immer grossflächiger. Aber auch moderne Pflanzenschutzmittel trugen dazu bei. Es brauchte weniger Arbeitskräfte. So enstand nach und nach der grösste Gemüsegarten der Schweiz. Aus Kleinbauern wurden zuerst Landwirte und Gemüsebauern, später Spezialisten, Gemüsegärtner und Unternehmer. Nach der Jahrtausendwende kam es, angetrieben durch den Rationalisierungsdruck der grossen Ketten, zu weiteren Zusammenlegungen. Vorverpackungen wurden zur Regel, auf dem Feld übernahmen Vorernter, Ernteroboter, Photozellen und Farberkennung sowie Computerprogramme. Handarbeit war nicht mehr gefragt. Die Zeit der Marktfrauen, des Nebenerwerbs Gemüsebau mit Klein- und Kleinstbetrieben war vorbei. Die Mechanisierung hat für riesige Veränderungen gesorgt und der Gemüseanbau wurde extrem kapitalintensiv. Wachsen oder Weichen ist das Gebot der Stunde in der Gemüsebranche. Heute gibt es im Seebezirk nur noch eine Handvoll Betriebe, die ihre Produkte direkt vermarkten, sei es mit eigenen Hofläden oder auf den Wochenmärkten in Bern, Freiburg oder Murten. Ein paar Familienbetriebe pflanzen noch Spargeln, die sie in der heimischen Gastronomie absetzen. Viele Gemüsebauern haben beim Generationswechsel aufgegeben, andere wuchsen zu grossen Betrieben mit viel ausländischem Personal, oder sie fusionierten zu Betriebsgemeinschaften.
Quellen
Erinnerungen von Ueli Johner-Etter (Original im Dialekt zum Download)