Rheintaler Ribelmais (Zea mays)
Beschreibung
Die Ribelmaissorten des St. Galler Rheintals haben lange Spindeln. Im Frühling weisen sie eine gute Kältetoleranz auf. Die Vegetationsperiode zum Ausreifen dauert ca. 5 Monate vom 20. April - 10. September. Aufgrund der klimatischen Bedingungen (hohe Niederschlagsmengen und warme Temperaturen) im St. Galler Rheintal und im Linthgebiet, waren diese lange Zeit die einzigen Anbaugebiete für Speisemais nördlich der Alpen.
Bis heute gibt es beim Rheintaler Ribelmais eine grosse Vielfalt: Lange und kurze Kolben, beige, rote und beinahe weisse Körner, frühreife und spätreife Typen usw. Diese Vielfalt gerät jedoch infolge fehlender Infrastruktur (z.B. Kundenmühlen), mangels reinen Saatguts (Fremdbestäubung durch Futtermais oder Ziermais) oder veränderte Essgewohnheiten immer mehr in Bedrängnis.
Allgemeines und Geschichte
Mais wurde erstmals 4000-3000 vor Christus in Mexiko angebaut. Während 300 Jahren Hauptnahrungsmittel im Rheintal. Um 1650 erste Erwähnungen als Zehntenabgabe an den Balgacher Pfarrer. Mitte des 19. Jahrhunderts waren 2/3 der Ackerfläche mit Mais angebaut, dem das feucht-warme Klima behagte. Dies in Gegensatz zu Gerste und Weizen, die oft unter Pilzkrankheiten litten. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Getreideimporte billiger und es konnte vermehrt Weizen gegessen werden. Einen späteren Höhepunkt verzeichnete der Speisemaisanbau nach dem 2. Weltkrieg, als nochmals ein Maximum auf den eigenen Flächen produziert werden musste. Später verdrängte der Silomaisanbau den Speisemais bzw. den Rheintaler Ribel. Im Jahr 2000 erfolgte der Eintrag des Rheintaler Ribelmais als 2. Produkt in der Schweiz (und im Fürstentum Liechtenstein) in das Register der Ursprungsbezeichnungen AOC. Die Anbaufläche in der Schweiz stieg von 3 ha im Jahr 1998 auf 30 ha im Jahr 2010.
Verbreitungsgebiet einst und jetzt
Kanton St. Gallen: Unterrheintal, Oberrheintal, Werdenberg, Sargans Kanton Graubünden: Gemeinden Fläsch, Maienfeld, Landquart, Jenins, Malans, Zizers, Untervaz Fürstentum Liechtenstein, Vorarlberg
Anbau
Der Ribelmais ist sehr gut an die Gegend angepasst. Es ist eine Landsorte mit grosser genetischer Vielfalt. Das glutenfreie Getreide wird in 75 cm Reihenabstand alle 10-20 cm (7 Pflanzen / qm) gesäät. Zu den Silomaisfeldern muss ein Abstand von 200 m eingehalten werden wegen der Windbefruchtung - oder es wird entsprechend früher gesäät, damit die Bestäubung zu unterschiedlichen zeiten erfolgt. Das Saatbeet sollte nicht zu grobschollig sein. Der Einsatz einer Kreiselegge ist angepasst. Gedüngt wird zweimal, bei der Saat bis Mitte Mai und Anfang Juni. Die Keimung erfolgt nach ca.5-10 Tagen, je nach Temoperatur. Ende Juli kommt es zur Befruchtung, die Maispflanzen blühen. Erntereif ist der Mais mitte September - mitte Oktober. Das Unkraut kann chemisch oder mechanisch bekämpft werden. Pro m2 sollen höchstens 7 Pflanzen stehen (normal 10). Wird von Hand geerntet, hängt man die Kolben für einige Monate an einen trockenen Ort, mit dem Mähdrescher braucht es eine künstliche Trocknung bei maximal 50° ca während eines Tages bis ein Wassergehalt von 13-16% erreicht ist. So ist das Korn zwei Jahre haltbar. In der Mühle wird der Keimling mitgemahlen (anders als bei Polenta), die Schale aber entfernt. Der traditionelle Rheintaler Ribel besteht aus Maisgriess,- dunst und Maismehl. Mit dem Keimling ist das Produkt nahrhafter, aber nur ein halbes Jahr lang haltbar, Griess ohne Keimling 2 Jahre.
Der Rheintaler Ribel wurde früher in Mischkultur mit Kohl, Bohnen oder Gemüse angebaut.
Nutzung
Speisemais für vielfältige Produkte (siehe "Produkte).
Eignung
Energie: 369 kcal, 9% Protein, 4,8% Fett, 74% Kohledydrate, 11% Wasser, 1,4% Asche
Verarbeitung und Produkte
Ribelmais Bier
Ribelmais Tortilla Chpis
Ribelmais gemahlen
Traditionelle Zubereitung: Rheintaler Ribel 3 Stunden in aufgekochtem Milchwasser quellen lassen, dann 20 Minuten mit etwas Butter rösten und mit Zwetschgen-, Holunder, oder Apfelmus essen. Der Ribelmais schmeckt nussig. Er benötigt eine längere Quellzeit als andere Maissorten. Bei traditionellem Ribel geschah dies jeweils über Nacht. Es werden 54.5 Tonnen trockener Ribelmais geernetet.
Türggenbrot: Brot aus Mais- und Halbweissmehl meist mit Rosinen (kompaktes Brot)
Ribelmais Poulet (biologisch, gefüttert mit Rehintaler Ribelmais)
Türggäbrot= Maisbrot
Kulturtechnik
Der Rheintaler Ribel wurde früher in Mischkultur mit Kohl, Bohnen oder Gemüse angebaut.
Tatsächlich pflanzte praktisch jede Rheintaler Familie auf ihren Pflanzplätzen oder im hauseigenen Garten Ribelmais an. Im Spätherbst, wenn die Maiskolben ihre volle Reife erlangten, wurde geerntet und die ganze Familie samt allen Bekannten machte sich daran, die Kolben von den Lieschblättern zu befreien. Dieses "Schelfera", "Usschella", "Uszüha" oder "Hültscha", wie der Vorgang je nach Dialekt und Region genannt wird, zählte bis weit ins 20. Jahrhundert zu den wichtigsten Ereignissen im Jahreslauf und erlebt im Moment einen neuen Aufschwung.
Brauchtum
Höltscheta: Gemeinschaftliches Entblättern, Verknoten und Aufhängen der Maiskolben, geselliger Anlass, bei dem neben der Arbeit Neuigkeiten ausgetauscht werden.
Perchtenlaufen (Vorarlberg): Mit dem alten Ritus sollen im bayrischen und österreichischen Alpenraum die bösen Wintergeister ausgetrieben und für eine gute, ertragreiche Ernte für das kommende Jahr gebeten werden. Zu diesem Zwecke werden im Herbst die mühevoll gesammelten Maisblätter zu Bündeln zusammengepackt und in langwieriger Arbeit auf Kleidungsstücke aufgenäht. Ein einzelnes Gewand besteht aus bis zu 1000 Bündeln und wiegt bis zu 100 Kilogramm.
Sonstiges
Früher wurde das entfernte trockene Laub der Maiskolben in Säcke abgefüllt, die als Matratzen dienten. Die Maisblätter wurden auch als Einstreu im Stall verwendet. Heute wird das an der Salezer «Türgga-Höltscheta» anfallende Laub ins Vorarlbergische geliefert und dient einem weiteren alten Brauch der zusehends wieder aufblüht: dem Perchtenlaufen, bei dem die bösen Geister des Winters vertrieben werden.
Literatur
Bont, K.; Verein Rheintaler Ribelmais (2003): Das Ribel-Buch: Rheintaler Ribel. Ursprung, Bedeutung, Geschichten und Rezepte: Verein Rheintaler Ribelmais. ISBN 3905222817, 9783905222814
Keller, Alfred, Wimmar z'Tippilzou reedid, Basel, 1965.
Weiss, Richard, Volkskunde der Schweiz. Ein Grundriss, Erlenbach, 1978.
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Fünfter Band, Frauenfeld, 1905, Staub, Friedrich et al.
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Sechster Band, Frauenfeld, 1909, Staub, Friedrich et al.
Atlas der schweizerischen Volkskunde, Weiss, Richard und Paul Geiger, Basel, 1950.
- http://www.ribelmais.ch/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Rheintaler_Ribelmais
- http://www.blw.admin.ch/themen/00013/00085/00094/00143/index.html?lang=de
Staatl. Erhaltungsorganisationen
Bisher sind in der nationalen Datenbank für pflanzengenetische Resourcen der Schweiz 85 Akzessionen des RIbelmais erfasst und beschrieben: http://www.pgrel.admin.ch/lists/1084/content/; http://www.pgrel.admin.ch/culture/maize/
Nichtstaatl. Erhaltungsorganisationen
http://www.ribelmais.ch/