Allgemeines und Geschichte

Zur Herkunft des Alpen-Grauviehs gibt es zahlreiche Theorien. Verbreitet ist die These, dass es eine Mischung aus der Völkerwanderungszeit sei. Dem stehen aber zwei Punkte entgegen. Erstens zeigten genetische Untersuchungen österreichischer, schweizerischer und italienischer Rinderrassen, dass das Grauvieh eine Sonderstellung einnimmt (Baumung et al. 2008). Zweitens führen auch ethnozoografische Überlegungen zu einer Sonderstellung. Das Verbreitungsgebiet des alpinen Grauviehs war in geschichtlicher Zeit - abgesehen vom Val Badia im Pustertal - immer fast deckungsgleich mit dem Siedlungebiet der rätoromanisch und ladinisch sprechenden Bevölkerung. Die Räter selbst sind von der Abstammung her nicht einfach zuzuordnen. Sprachlich werden sie immer wieder mit den Etruskern in Verbindung gebracht. Darüber streiten sich die Linguisten seit Jahrzehnten. Erstaunlich ist jedoch, dass beide Völker eine fast identische Viehhabe besitzen (früher definierten sich Volksgruppen auch über ihre Viehhabe!). Das Garfagnina-Rind der Etrusker entspricht dem Alpen-Grauvieh und das Garfagnina-Schaf den Reliktpopulationen ziegenhafter Schafrassen im Veltlin (Ciuta-Schaf), Vorarlberg (Montafoner) und in der Surselva in Graubünden (Bündner Oberländer Schaf).

Verbreitungsgebiet einst und jetzt

Die grössten Bestandeszahlen waren einst und sind auch heute noch im Südtirol. Unterschieden wurden dort zwei Typen, das grossrahmige Etschtaler- und Ultentaler Grauvieh (das eigentliche Südtiroler Grauvieh), deren schwere Zugochsen grossen Absatz in der Po-Ebene fanden, und die kleinrahmigen Typen, die die steilen Hänge des Passeier- und Sarntales, des Nonsberges im Trentino sowie der Dolomitentäler nutzten. Diese letzteren, Buischa Grauvieh bzw. Mucca Bisa genannt, werden heute für die extensive Berglandwirtschaft wieder interessant.
In Nordtirol ist das Tiroler Grauvieh vom Oberinntal bis ins Wipptal am Brenner verbreitet. Die Grauviehzucht hat in Österreich verschiedene Stadien durchlaufen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Grauvieh mit dem Braunvieh im "Graubraunen Tiroler Gebirgsvieh" zusammengefasst, was eine systematisch Verdrängung des Grauviehs zum Ziele hatte. Wegen des Widerstandes inbesondere im Oberinntal und weil das Braunvieh sich auf den extremen Weiden nicht durchsetzen konnte, gelang die Verdrängung allerdings nicht. 1924 gründeten die Oberinntaler Bauern einen eigenen Grauviehzüchter-Verband. Die Zucht erholte sich nicht nur im Oberinntal, sondern auch in den südlichen Tälern bis zum Wipptal am Brenner. In den 1980er-Jahren begann die Einkreuzung grossrahmiger Tiere aus Südtirol, verbunden mit der Ausmerzung der weniger Leistung zeigenden kleinrahmigen Tiere.
In der Schweiz gab es beim Bündner Grauvieh zwei sehr unterschiedliche Schläge, das grossrahmige Surselva-Grauvieh im Oberland und das kleine Albula-Grauvieh, das über das Engadin Zuchtanschluss mit Tieraustausch ins österreichische Oberinntal hatte. Auch in der Schweiz sollte das Grauvieh im Braunvieh aufgehen. Der Bünder Grosse Rat verfügte, dass in der Zucht nur noch angekörte Stiere vom Markt in Zug eingesetzt werden dürfen. Das ehemalige "Bündner Grauvieh" verschwand deshalb in der Zwischenkriegzeit vollständig. Erst in den 1980er-Jahren wurden von ProSpecieRara unter dem neuen Namen "Rätisches Grauvieh" wieder ein bergtüchtiger Grauvieh-Bestand aufgebaut. Bewusst wurden aus dem Oberinntal nur kleinrahmige Tiere mit Widerristhöhen zwischen 113-121 cm eingeführt. ProSpecieRara profitierte dabei von der Ausmerzaktion kleinrahmiger Tiere durch den Tiroler Grauviehzuchtverband. Heute gibt es in der Schweiz aber auch grossrahmiges Grauvieh, das unter dem Namen Grauvieh Schweiz geführt wird.

Nutzung

Absatz von Zugochsen bis in die 60er-Jahre (Beginn der Mechanisierung beim Pflügen).
Nutzung der kleineren Schläge für die Bewirtschaftung von steilen Berghängen und für die Extensiv-Bewirtschaftung.

Literatur

· Jaritz, Günter (2014). Seltene Nutztierrassen der Alpen. Verlag Anton Pustet, Salzburg
· Baumung, Roswitha et.al. (2008). Genetische Charakterisierung österreichischer Rinderrassen, Wien
· Bigi, D., Zanon, A. (2008). En allemand: Atlante delle razze autoctone, Milano
· Sambraus, Hans Hinrich: Gefährdete Nutztierrassen (1994). Ihre Zuchtgeschichte, Nutzung und Bewahrung. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, Ausgabe 1
· Atlante Etnografico delle Popolazioni Bovini in Italia (1983). Rom
· Kaltenegger, Ferdinand (1889). Braun- und Grauvieh in Italienisch-Südtirol (gemeint Trentino), Wien
· Kaltenegger, Ferdinand (1879). Rinder der österreichischen Alpenländer, Verlag Faesy & Frick, Ausgaben 1-2

Links

Staatl. Erhaltungsorganisationen

www.tiroler-grauvieh.at
www.rinderzuchtverband.it

Nichtstaatl. Erhaltungsorganisationen

www.grauvieh-schweiz.ch/
www.grigioalpina.it/
www.patrimont.org/de/buischele-kleinrind
www.prospecierara.ch/de/tiere/raetisches-grauvieh